Inhalt

Teil 1
Multisensorik: Wahrnehmung mit allen Sinnen

Die Wahrnehmung des Menschen ist der Ausgangspunkt der multisensorischen Kommunikation mit den Kunden im Handel. Der Mensch nimmt seine Umgebung mit allen Sinnen wahr: Hören, Riechen, Tasten, Schmecken und Sehen. Selten aber entspricht das, was wir bewusst wahrnehmen, der objektiven Beschaffenheit der Realität: Wahrnehmung ist selektiv und konstruktiv. Aufmerksamkeit ist begrenzt. Dieses Phänomen, diese Eigenschaften der Wahrnehmung sind Grundlage des multisensorischen Erlebens – und so auch des multisensorischen Marketing. Die Beiträge in diesem Kapitel widmen sich deshalb diesen Grundlagen.

Selektiv ist Wahrnehmung, weil von der Masse an Reizen, die unsere Sinne (besser: die entsprechenden Rezeptoren) jede Millisekunde erreichen, nur ein sehr kleiner Bruchteil überhaupt bewusst wird. Ganz abgesehen von der Begrenztheit unseres Wahrnehmungsapparates, der dazu führt, dass unterschwellige Reize gar nicht wahrgenommen werden können. Der Flaschenhals, der entscheidet, welche Eindrücke bewusst werden, ist die Aufmerksamkeit. Sie wird gelenkt durch z.B. subjektive Relevanz, Ästhetik, Andersartigkeit oder Neuartigkeit. Die (relativ) wenigen Inhalte, denen sich Shopper mit Aufmerksamkeit zuwenden, haben eine Chance, bewusst verarbeitet, durchdacht und im Gedächtnis verankert zu werden. Ohne Aufmerksamkeit kein Kauf! Oder doch nicht? Können Produkte, Marken oder Hersteller kommunizieren, ohne dass die Botschaften bewusst aufgenommen werden? Und wie kann die Aufmerksamkeit für Marken und ihre Botschaften im Handel geschaffen werden? Gibt es ein „Zuviel“ an Stimulation?

Konstruktiv ist unsere Wahrnehmung, weil unsere Erwartungen und auch die Erfahrungen aus früheren Situationen unsere Wahrnehmung lenken und begrenzen. Unsere Erwartungen bilden den Kontext, der die Interpretation der Wahrnehmungsinhalte lenkt. Teure Schokolade schmeckt besser (oder auch eben gerade nicht) und schokobrauner Pudding muss nach Schokolade schmecken. Ein Château, das auf dem Etikett einer Weinflasche abgebildet ist, lässt uns eher glauben, dass es sich hier um einen hochwertigen Wein handelt und ein Käse nach griechischer Art mit einem griechisch klingenden Namen wird als authentisch wahrgenommen, auch wenn er mit Griechenland und Feta-Käse nichts zu tun hätte. Können der Handel und die Hersteller solche Erwartungen gezielt steuern? Welche Optionen stehen hier zur Verfügung?Und wo sind die Grenzen? Neben den Erwartungen lenken Erfahrungen aus früheren Situationen die Wahrnehmung der aktuellen Situation: Kunden, die eine schlechte Erfahrung mit einem Händler gemacht haben, nehmen auch beim nächsten Besuch die negativen Aspekte schneller wahr als die positiven. Muss der Händler auf solche Erfahrungen eingehen? Kann sich der Handel das überhaupt leisten?

Multisensorik im stationären Einzelhandel – Grundlagen und Praxis in der kundenzentrierten Filialgestaltung
• Achim Fringes, Experte Neuromerchandising und Autor

Die emotionale Organisation – Gefühle, Sinne, Bewusstsein
• Beat Grossenbacher, Brigitte Mäder centre d’ambiance

Die Wahrnehmungsforschung und ihre Bedeutung für Handelsmarketing und Shopper-Research
• Andrea Gröppel-Klein, Universität des Saarlandes

Von Bottom-up zu Top-down in der Ladenumwelt
• Georg Felser, Patrick Hehn, Hochschule Harz

Angeschaut und eingekauft? Wie extrinsische und intrinsische Produktmerkmale den Lebensmitteleinkauf beeinflussen
• Claudia Symmank, Pocketbook Readers GmbH

Markenwerte identifizieren und multisensual inszenieren
• Karsten Kilian, Hochschule Würzburg-Schweinfurt Markenlexikon.com

Teil 2
Phygital: Aufbruch in ein neues Zeitalter der Sinne

In Zeiten, in denen smarte Küchen und smarte Kleiderschränke möglicherweise bald direkt mit Lieferanten und Herstellern kommunizieren, in denen uns digitale Sprachassistenten im Vorbeigehen eine Einkaufsliste erstellen lassen, die der Assistent selbständig ergänzt und in denen Social Media mit Shopping verschmelzen: braucht es da noch den stationären Handel? Ist ein Ort, zu dem man erst hinfahren muss, um sich die Produkte selbst auszusuchen und anschließend dann auch noch nach Hause bringen muss, nicht ein Relikt alter Zeiten? Warum sollen Kund*innen überhaupt noch stationär einkaufen? Und was ist mit den Digital Natives, die es längst gewohnt sind, viele Bereiche ihres Lebens digital zu gestalten?

So provokant diese Fragen vielleicht sind, so drängend stellen sie sich in Zeiten, in denen der Online-Handel wächst, Innovationen vor allem digital getrieben werden und unser Leben immer mehr von Algorithmen und Apps bestimmt wird. Die folgenden Beiträge sollen die Fragen beantworten, welchen Platz der stationäre Handel in der heutigen Zeit hat und auf welche Stärken er aufbauen kann. Gleichzeitig stellt sich aber die Frage, wie sich der Handel an Wertewandel, veränderte Lebensstile und technologische Entwicklungen anpassen kann – getreu dem Bonmot: „Handel ist Wandel“. Was muss sich also im stationären Handel ändern, um die originären Stärken auszuspielen?

Schließlich geht es nicht um ein entweder Digitalisierung oder stationärer Handel. Beides kann und muss sich befruchten. Wie also kann der stationäre Handel die Tools und Möglichkeiten der technologischen Entwicklung aufgreifen und nutzen, um sein (multisensorisches) Angebot interessant und nützlich für die Shopper zu machen?

Diese Fragen greifen die Beiträge in diesem Teil auf. Sie zeichnen anhand von konzeptionellen Überlegungen, praktischen Erfahrungen und Best Cases ein Bild, wie der Handel relevant im Leben der Menschen bleibt, seine Leistungen aktualisieren und seine Stärken ausspielen kann. In ihrer Gesamtheit beantworten sie vor allem eine Frage: Warum wird es auch in Zukunft einen starken stationären Handel geben?!

Filialen in Zeiten von New Work – Gedanken zur Renaissance des stationären Handels
• Martin Kiel, Universität der Künste Berlin

„Verkaufen“ kommt von „Verstehen“
• Bert Martin Ohnemüller, neuromerchandising group

Der stationäre Handel aus Sicht der Digital Natives
• Philipp Riederle, Digitaler Aufklärer

Der Vertrauensvorsprung stationärer Läden
• Cornelia Diethelm, Centre for Digital Responsibility (CDR)

Best Practices für KI im Handel – auch für Multisensorik?
• Gerrit Heinemann, Kerstin Sonntag, Marcus Groß, Hochschule Niederrheinadesso SE

Digitale Präsenz beim physikalischen Einkaufen – vom „Nutzenorientierten Ansatz“ zum erfolgreichen Customer Engagement
• Pierre Gervais Farine, screenFOODnet Digital Signage Retail Services

Consumer Experience durch Einsatz von Mixed Reality in Einkaufsumgebungen
• Christian Zagel, Hochschule Coburg

Teil 3
Total Store: Holistisch denken und handeln

Der Mensch nimmt seine Umgebung immer mit allen Sinnen wahr. Sehen, riechen, fühlen, schmecken und hören. Und alles gleichzeitig. So kann ein Fremdgeruch im Brotbereich, die noch so schöne Auslage unappetitlich erscheinen lassen. Deshalb ist es sinnvoll, als Händler den Raum ganzheitlich wahrzunehmen, zu gestalten und zu pflegen. Zentrale Herausforderung ist dabei die bewusste Orchestrierung der vielfältigen Sinnesreize: Licht, Farbe, Formen, Botschaften, Bildschirme, Auslage, Mitarbeitende etc. Doch wie gelingt dies, ohne in die Komplexitätsfalle zu geraten?

Multisensorik ist dann auch mehr als eine reine Fachdisziplin. Multisensorik ist eine koordinative Disziplin, welche die Expertise im Unternehmen bündelt und zu einer Sprache formt. Multisensorik ist ein bewusstes Management der Sinnesreize – ganzheitlich und kundenzentriert. Dies setzt voraus, dass einerseits die Treiber für das menschliche Wohlbefinden bekannt sind (vgl. Kapitel 1) und andererseits die Adressierung dieses Wohlbefindens kulturell, strukturell und prozessual im Unternehmen verankert ist (vgl. Kapitel 4). Die Fragen zum Wohlbefinden sind erstmal vielfältig: Fühlt sich der Kunde willkommen, wenn er den Verkaufsraum betritt? Kann er sich auf Anhieb orientieren? Sind die Botschaften in sich stimmig und haben sie die gewünschte (Marken-) Wirkung? Ist die Logik der Warenanordnung für den Kunden schnell erfassbar? Ist die Logik des Regallayouts leicht „lesbar“? Bilden die Signale, die die fünf Sinne empfangen können, eine Harmonie?
Die folgenden Beiträge beleuchten genau diese Übersetzung des Wohlbefindens aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Gestaltung der Ladenfläche. Als zentraler Ausgangspunkt dient die Festlegung bzw. die Schärfung der strategischen Gesamtausrichtung: Was ist das Selbstverständnis oder der Purpose des Unternehmens? Erst dann lässt sich eine Handschrift für die Ladenkonzeption entwickeln. Die folgenden Beiträge zeigen unterschiedliche methodische Ansätze auf und beleuchten vor allem auch Praxisbeispiele, welche sich über eine pragmatische Herangehensweise auszeichnen. Die Grundlage für eine einzigartige Profilierung – so der gemeinsame Kanon – wird einerseits durch eine kohärente Ladengestaltung (einheitliche Handschrift) und andererseits durch deren Einklang mit der Retail-Marke geschaffen. Beides auf der Basis eines begehrenswerten Leistungsversprechens an den Kunden.

Eine Einkaufsstätte zur Marke machen!
• Hermann W. Braun, Braun Shopper Marketing Consulting

Neukundengewinnung und dauerhafte Kundenbindung durch ganzheitliche Filialgestaltungen
Birgit Schröder, GS1 Germany

Die neue Goldgrube
• Marion Marxer, marxerrevolution

Luxusmarken multisensual am Point of Sale inszenieren
Karsten Kilian, Hochschule Würzburg-Schweinfurt,
• Alina Hacopian HS für Technik und Wirtschaft Berlin

Multisensorik in der Umsetzung
• Hannah Sondermann, The Retail Experience

LAGO am See: Einkaufserleben mit allen Sinnen
• Peter Herrmann, LAGO Shopping Center

Von Welt zu Welt begleitet
• Christoph Oriet, SCS Storeconcept AG

Wertschöpfung durch Wertschaffung
• Philipp Rieländer, Max Lüning GmbH & Co. KG

Learning Journey zur optimalen Bespielung des Verkaufsraumes
• Jan Hillesland, Link Analytix

Markenadäquate Umsetzung von Werksbesichtigungen
• Evelyn Kästner, Hochschule Macromedia

Teil 4
Mindset: Verankerung der Kundenzentrierung im Unternehmen

Die Unternehmensleistungen – und im speziellen Falle die Ladengestaltung – agil auf die sich wandelnden Bedürfnisse des Kunden auszurichten, gehört zu den zentralen Herausforderungen eines kundenorientierten Unternehmens. Dies ist alles andere als neu. Um diese kundenzentrierte Denkweise und Handlungssicherheit zu erreichen, ist eine Vernetzung der Disziplinen im Unternehmen notwendig. Und darin liegt auch bereits die Crux: Es ist nicht nur die Auflösung der Silo-Organisation, sondern es stellt sich die Frage: „Wer nimmt die Sicht des Kunden an jenen Punkten ein, an denen dieser den Blumenstrauß an Leistungskomponenten als Ganzes wahrnimmt?“

Wenn das Category Management die Sortimentsleistung, die Ladenplaner das Ladenkonzept, die Web-Designer den Online-Auftritt oder die Werbeabteilung den Markenauftritt gestalten, steht oft der Kunde in den einzelnen Abteilungen zwar meistens im Mittelpunkt der Leistungserstellung. Vielleicht werden über eine Projektorganisation die Projektaktivitäten intern auch koordiniert und im besten Fall harmonisiert. Aber meistens fehlt dabei ein „Advokat“ des Kunden. Hierfür bedarf es nicht nur einer professionellen Projektorganisation, sondern einer starken Haltung in der Organisation. Eine werteorientierte Führung wird oft den eigentümergeführten Unternehmen zugeschrieben, ist aber genauso wichtig in managementgeführten Unternehmen. Hierzu ist jedoch ein Hochglanzpapier mit schön formulierten Werten bei weitem nicht ausreichend.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um den Kunden auch im wettbewerbsintensiven und dynamischen Umfeld nicht aus den Augen zu verlieren? Die Aufforderung, die Silo-Organisationen aufzulösen beziehungsweise eine agile, vernetzte Organisation nach dem Vorbild von Start-ups aufzubauen, klingen in diesem Kontext oft als Plattitüde. Umso bedeutender ist es, die Erfolgsfaktoren herauszukristallisieren, welche für die Konfiguration, Implementierung und Verankerung ausschlaggebend sind.

„Culture eats strategy for breakfast“. Die Erkenntnis von Peter Drucker trifft in diesem Kontext mehr denn je zu. Ein multisensorisches Gesamtkunstwerk ist erst dann in der Organisation verankert, wenn die Kultur und Strukturen dies zulassen.

Agile Organisationskonzepte für Handelsunternehmen in Zeiten der Digitalisierung
• Martina Peuser, Leibniz-Fachhochschule Hannover

Kundenzentrierung als Management-Leitlinie
• Johannes Ceh, Our Job to be done

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation
• Svenja Reinecke, Tobias Krüger, Otto Group

Die HEINE-Transformation im digitalen Zeitalter
• Jürgen HabermannInvestor

Die Brille im designaffinen Umfeld mit modischer Kompetenz
• Kilian Wagner, VIU Eyewear

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