Teil 3
Total Store: Holistisch denken und handeln
Der Mensch nimmt seine Umgebung immer mit allen Sinnen wahr. Sehen, riechen, fühlen, schmecken und hören. Und alles gleichzeitig. So kann ein Fremdgeruch im Brotbereich, die noch so schöne Auslage unappetitlich erscheinen lassen. Deshalb ist es sinnvoll, als Händler den Raum ganzheitlich wahrzunehmen, zu gestalten und zu pflegen. Zentrale Herausforderung ist dabei die bewusste Orchestrierung der vielfältigen Sinnesreize: Licht, Farbe, Formen, Botschaften, Bildschirme, Auslage, Mitarbeitende etc. Doch wie gelingt dies, ohne in die Komplexitätsfalle zu geraten?
Multisensorik ist dann auch mehr als eine reine Fachdisziplin. Multisensorik ist eine koordinative Disziplin, welche die Expertise im Unternehmen bündelt und zu einer Sprache formt. Multisensorik ist ein bewusstes Management der Sinnesreize – ganzheitlich und kundenzentriert. Dies setzt voraus, dass einerseits die Treiber für das menschliche Wohlbefinden bekannt sind (vgl. Kapitel 1) und andererseits die Adressierung dieses Wohlbefindens kulturell, strukturell und prozessual im Unternehmen verankert ist (vgl. Kapitel 4). Die Fragen zum Wohlbefinden sind erstmal vielfältig: Fühlt sich der Kunde willkommen, wenn er den Verkaufsraum betritt? Kann er sich auf Anhieb orientieren? Sind die Botschaften in sich stimmig und haben sie die gewünschte (Marken-) Wirkung? Ist die Logik der Warenanordnung für den Kunden schnell erfassbar? Ist die Logik des Regallayouts leicht „lesbar“? Bilden die Signale, die die fünf Sinne empfangen können, eine Harmonie?
Die folgenden Beiträge beleuchten genau diese Übersetzung des Wohlbefindens aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Gestaltung der Ladenfläche. Als zentraler Ausgangspunkt dient die Festlegung bzw. die Schärfung der strategischen Gesamtausrichtung: Was ist das Selbstverständnis oder der Purpose des Unternehmens? Erst dann lässt sich eine Handschrift für die Ladenkonzeption entwickeln. Die folgenden Beiträge zeigen unterschiedliche methodische Ansätze auf und beleuchten vor allem auch Praxisbeispiele, welche sich über eine pragmatische Herangehensweise auszeichnen. Die Grundlage für eine einzigartige Profilierung – so der gemeinsame Kanon – wird einerseits durch eine kohärente Ladengestaltung (einheitliche Handschrift) und andererseits durch deren Einklang mit der Retail-Marke geschaffen. Beides auf der Basis eines begehrenswerten Leistungsversprechens an den Kunden.
Eine Einkaufsstätte zur Marke machen!
• Hermann W. Braun, Braun Shopper Marketing Consulting
Neukundengewinnung und dauerhafte Kundenbindung durch ganzheitliche Filialgestaltungen
• Birgit Schröder, GS1 Germany
Die neue Goldgrube
• Marion Marxer, marxerrevolution
Luxusmarken multisensual am Point of Sale inszenieren
• Karsten Kilian, Hochschule Würzburg-Schweinfurt,
• Alina Hacopian, HS für Technik und Wirtschaft Berlin
Multisensorik in der Umsetzung
• Hannah Sondermann, The Retail Experience
LAGO am See: Einkaufserleben mit allen Sinnen
• Peter Herrmann, LAGO Shopping Center
Von Welt zu Welt begleitet
• Christoph Oriet, SCS Storeconcept AG
Wertschöpfung durch Wertschaffung
• Philipp Rieländer, Max Lüning GmbH & Co. KG
Learning Journey zur optimalen Bespielung des Verkaufsraumes
• Jan Hillesland, Link Analytix
Markenadäquate Umsetzung von Werksbesichtigungen
• Evelyn Kästner, Hochschule Macromedia
Teil 4
Mindset: Verankerung der Kundenzentrierung im Unternehmen
Die Unternehmensleistungen – und im speziellen Falle die Ladengestaltung – agil auf die sich wandelnden Bedürfnisse des Kunden auszurichten, gehört zu den zentralen Herausforderungen eines kundenorientierten Unternehmens. Dies ist alles andere als neu. Um diese kundenzentrierte Denkweise und Handlungssicherheit zu erreichen, ist eine Vernetzung der Disziplinen im Unternehmen notwendig. Und darin liegt auch bereits die Crux: Es ist nicht nur die Auflösung der Silo-Organisation, sondern es stellt sich die Frage: „Wer nimmt die Sicht des Kunden an jenen Punkten ein, an denen dieser den Blumenstrauß an Leistungskomponenten als Ganzes wahrnimmt?“
Wenn das Category Management die Sortimentsleistung, die Ladenplaner das Ladenkonzept, die Web-Designer den Online-Auftritt oder die Werbeabteilung den Markenauftritt gestalten, steht oft der Kunde in den einzelnen Abteilungen zwar meistens im Mittelpunkt der Leistungserstellung. Vielleicht werden über eine Projektorganisation die Projektaktivitäten intern auch koordiniert und im besten Fall harmonisiert. Aber meistens fehlt dabei ein „Advokat“ des Kunden. Hierfür bedarf es nicht nur einer professionellen Projektorganisation, sondern einer starken Haltung in der Organisation. Eine werteorientierte Führung wird oft den eigentümergeführten Unternehmen zugeschrieben, ist aber genauso wichtig in managementgeführten Unternehmen. Hierzu ist jedoch ein Hochglanzpapier mit schön formulierten Werten bei weitem nicht ausreichend.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um den Kunden auch im wettbewerbsintensiven und dynamischen Umfeld nicht aus den Augen zu verlieren? Die Aufforderung, die Silo-Organisationen aufzulösen beziehungsweise eine agile, vernetzte Organisation nach dem Vorbild von Start-ups aufzubauen, klingen in diesem Kontext oft als Plattitüde. Umso bedeutender ist es, die Erfolgsfaktoren herauszukristallisieren, welche für die Konfiguration, Implementierung und Verankerung ausschlaggebend sind.
„Culture eats strategy for breakfast“. Die Erkenntnis von Peter Drucker trifft in diesem Kontext mehr denn je zu. Ein multisensorisches Gesamtkunstwerk ist erst dann in der Organisation verankert, wenn die Kultur und Strukturen dies zulassen.
Agile Organisationskonzepte für Handelsunternehmen in Zeiten der Digitalisierung
• Martina Peuser, Leibniz-Fachhochschule Hannover
Kundenzentrierung als Management-Leitlinie
• Johannes Ceh, Our Job to be done
Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation
• Svenja Reinecke, Tobias Krüger, Otto Group
Die HEINE-Transformation im digitalen Zeitalter
• Jürgen Habermann, Investor
Die Brille im designaffinen Umfeld mit modischer Kompetenz
• Kilian Wagner, VIU Eyewear